SERBIEN: Änderungen des Gesetzes zum Schutz des Rechts auf einen Gerichtsprozess innerhalb einer angemessenen Frist
Was bringen die Änderungen des Gesetzes zum Schutz des Rechts auf einen Gerichtsprozess innerhalb einer angemessenen Frist?
Durch das neue Gesetz zum Schutz des Rechts auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist wurde die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtes für die Entscheidung über den Verstoß gegen Recht auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist eingeführt, und zwar ausschließlich bei Insolvenz- und Vollstreckungsverfahren, die zur Befriedigung von Forderungen geführt werden, in welchen der Insolvenz-bzw. Vollstreckungsschuldner eine Gesellschaft ist, deren Mehrheitskapital gesellschaftliches oder staatliches Kapital ausmacht.
In den oben angeführten Verfahren wird das Verfassungsgericht in einem einheitlichen Verfahren darüber entscheiden, ob es zum Verstoß gegen Recht auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist gekommen ist, über das Recht auf Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden, und zwar aufgrund einer Verfassungsbeschwerde, die die Pflicht einer Prozesspartei ersetzt, unterschiedliche Rechtsmittel zur Geltendmachung des Rechtes auf Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden einzulegen, die sie infolge der Verletzung des Rechts auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist erlitten hat.
Der Grund für solche Gesetzesänderung liegt in der Tatsache, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den zahlreihen Urteilen (z.B. Kačapor und andere Beschwerdeführerinnen gegen Serbien, Marinković gegen Serbien, Ferizović gegen Serbien) festgestellt hat, dass die Verfassungsbeschwerde in dieser Art von Angelegenheiten ein wirkungsvolles Rechtsmittel zum Schutz des Rechts auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist sowie zum vermögensrechtlichen Schutz wäre.
In allen anderen Gerichtsverfahren ist die Partei, die denkt, dass ihr das Recht auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist verletzt ist, verpflichtet, dieselbe Rechtmittel einzulegen, die ihr vor dem Erlassen des angeführten Gesetzes zur Verfügung stand. Es handelt sich dabei um die
- Erhebung eines Einspruchs beim handelnden Gericht zur Beschleunigung des Verfahrens,
- Einlegung einer Beschwerde beim handelnden Gericht, sofern der Einspruch abgelehnt wird, bzw. sofern über diesen Einspruch nicht innerhalb von zwei Monaten ab dem Erhalt entschieden wird,
- Bei der Stattgabe eines Einspruchs oder einer Beschwerde ist die Partei berechtigt, eine Klage zum Ersatz eines immateriellen Schadens einzureichen, der durch den Verstoß gegen das Recht auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist verursacht wurde,
- Bei der Stattgabe eines Einspruchs oder einer Beschwerde ist die Partei berechtigt, auch eine Klage zum Ersatz eines materiellen Schadens einzureichen, der durch den Verstoß gegen das Recht auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist verursacht wurde.
Im Fall unter Punkt 3., der sich auf den Ersatz eines immateriellen Schadens bezieht, hat die Partei das Recht auf eine Geldentschädigung in Höhe von 300,00 EUR bis zu 3.000,00 EUR, in Abhängigkeit von der Komplexität des Gegenstandes des Gerichtsprozesses, dem Handeln des zuständigen Gerichtes und der Partei im Laufe des Verfahrens sowie von der Bedeutung des Gegenstandes des Gerichtsprozesses für die Partei ab.
Im Fall unter Punkt 4., der sich auf den Ersatz eines materiellen Schadens bezieht, hat die Partei das Recht auf den Ersatz des ganzen Schadens, den sie infolge der Verletzung des Rechtes auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist erlitten hat, wobei sie verpflichtet ist, den Schadensgrund und die Schadenshöhe nach den Regeln des Schuldrechtes nachzuweisen.
Was sonstige wesentliche Gesetzesänderungen und den Schutz des Rechtes auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist in anderen Verfahren betrifft, die nicht zu oben genannten Ausnahmen zählen, wurden Bedenken hinsichtlich der Pflicht zur Zustellung einer gesonderten Vollmacht durch den Prozessbevollmächtigten explizit beseitigt, sodass Folgendes festgestellt wurde:
„Der Prozessbevollmächtigte, der berechtigt ist, alle Handlungen im Verfahren, dessen Beschleunigung beantragt wird, vorzunehmen, benötigt keine gesonderte Vollmacht zur Erhebung eines Einspruchs. Sofern der Prozessbevollmächtigte berechtigt ist, nur einzelne Handlungen innerhalb eines Verfahrens vorzunehmen, zu denen die Einlegung der Rechtsmittel zum Schutz des Rechtes auf einen Gerichtsprozess nicht zählt, ist er verpflichtet, neben dem Einspruch auch eine gesonderte Vollmacht zur dessen Erhebung zur Verfügung zu stellen“.
Durch solche gesetzliche Lösung wird die im Urteil Rev. 568/2019 vom 18.04.2019 vorgebrachte Stellungnahme des Oberstgerichtes der Republik Serbien verabschiedet.
Wegen der Bedenken in der Praxis wurde explizit festgelegt, dass der Partei, deren Einspruch angenommen wurde, ein Verfahrenskostenersatz nach dem Einspruch zusteht, sowie dass die Beschwerde eingelegt werden kann, sogar wenn der Gerichtspräsident im Beschluss, mit welchem der Einspruch angenommen und der Verstoß gegen das Recht auf einen Gerichtsprozess innerhalb angemessener Frist bestätigt wurde, keine Frist zur Vornahme von Prozesshandlungen bestimmt hat, die das Verfahren wirkungsvoll beschleunigen.
Diese Änderungen und Ergänzungen sind am 04.11.2023 in Kraft getreten. Für alle eventuellen Fragen steht Ihnen die Textverfasserin, Rechtsanwältin Teodora Veruović per E-Mail teodora.veruovic@tsg.rs zur Verfügung.