SERBIEN: Produktionsstandort als Chance

Der folgende Beitrag wurde im Online-Magazin CrossingBorders – Wirtschaftsrecht weltweit, eine Publikation von CBBL, Deutscher Anwaltsspiegel International und F.A.Z. Business Media, veröffentlicht.
Produktionsverlagerung nach Serbien

 

Nearshoring

Nach der Corona Krise und als Folge zunehmend protektionistischer Tendenzen im Welthandel ist eine Rückverlagerung von Produktionen aus Asien nach Europa in die Nähe der alten Industrieländer zu erwarten.[i] Ein solches Nearshoring eröffnet neue Märkte und damit neue Chancen – die auch in Serbien liegen.

Geografische Lage und Transportwege

Serbien hat logistisch eine außergewöhnlich günstige geografische Lage. Das Land liegt im Zentrum von Südosteuropa und gleichzeitig am Paneuropäischen Verkehrskorridor Nr. 10. Im Umkreis von 4 bis max. 10 Autostunden sind Städte wie etwa München (9-10 Autostunden), Wien (6), Salzburg (8), Budapest (4), Bukarest (8), Tirana (9), Thessaloniki (6-7), Sofia (4,5) oder Istanbul (10) von der serbischen Hauptstadt Belgrad aus erreichbar. Diese geografische Lage hat sich als wesentlicher Faktor und Vorteil bei der Auswahl des Produktionsstandortes Serbien gezeigt. Eine Befragung deutscher Unternehmen, welche eine Produktionsverlagerung in den Westbalkan planen, hat gezeigt, dass die geografische Lage ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung über den Standort ist, und zwar gleich nach Faktoren wie Zugang zu Fachkräften, politische Stabilität und Lohnkosten.[ii]

Serbien ist geografisch Teil von Europa, nicht in der EU, aber seit 2013 EU-Beitrittskandidat.

Zugang zu Fachkräften und relativ niedrige Lohnkosten

Der serbische Markt bietet Fachkräfte mit Englisch- und Deutschkenntnissen. Nach Angaben der Deutsch-Serbischen Wirtschaftskammer beschäftigen deutsche Unternehmen derzeit über 70.000 Mitarbeiter in Serbien. UNESCO’s Education Statistics bestätigt, dass Serbien den größten Anteil an MINT-Absolventen in der Region Westbalkan hat.

Trotz des starken Wachstums der serbischen Wirtschaft in den letzten Jahren gilt das Land immer noch als Markt mit relativ niedrigen Lohnkosten bei guten Arbeitskräften.

Der Mindestlohn in Serbien beträgt im Jahr 2022 netto 201,22 RSD (ca. 1,72 EUR) pro Stunde, das Durchschnittseinkommen liegt bei brutto 47.767,08 RSD (ca. 406,00 EUR) pro Monat. Die offiziellen Angaben für den Mindestlohn in Serbien für das Jahr 2023 sind noch nicht veröffentlicht worden.  Mitteilungen des Finanzministeriums der Republik Serbien zufolge wird dieser um mindestens 14% erhöht werden.

 Arbeitsrecht

Das serbische Arbeitsrecht kann man in vielen Punkten als arbeitgeberfreundlich bezeichnen, ganz besonders ist auf die Unterschiede zum deutschen Recht hinzuweisen. Diese Unterschiede können sich für den Arbeitgeber als günstig darstellen, vorausgesetzt die Arbeitsordnung und die Arbeitsverträge werden sorgfältig vorbereitet und juristisch präzise erarbeitet.

Befristete Arbeitsverträge

Neu gegründete Unternehmen können Arbeitsverträge auf bis zu drei Jahre befristen. Im Übrigen können Arbeitsverträge nach serbischem Arbeitsrecht grundsätzlich auf bis zu 24 Monate und projektbezogen befristet werden. Durch eine entsprechende Vertragsvorbereitung kann für neu gegründete Produktionsstätten in Serbien damit während der Anbahnungsphase ausreichend Flexibilität in Bezug auf neue Arbeitnehmer gesichert werden.

Leiharbeit

Zusätzlich hat Serbien, durch eine Gesetzesreform in 2019, die Tür für Leiharbeit geöffnet und damit weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten für Investoren eröffnet. Die Anzahl von Leiharbeitern in einem Unternehmen ist dabei auf 10 % der gesamten Belegschaft begrenzt, wobei der Zeitpunkt der Unterzeichnung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags maßgeblich ist.

Kündigungsrecht

Das serbische Arbeitsrecht kennt nur ein vereinfachtes Kündigungsverfahren. Eine Kündigungsfrist für den Arbeitgeber oder eine Differenzierung zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung kennt das serbische Arbeitsrecht nicht. Jeder Arbeitsvertrag kann fristlos durch den Arbeitgeber gekündigt werden, wenn der Arbeitnehmer gegen seine Pflichten oder die Arbeitsdisziplin verstößt. Eine solche Kündigung ist jedoch nur wirksam, wenn sich der Arbeitnehmer zuvor schriftlich zu dem Vorwurf des Verstoßes äußern konnte und wenn die Regeln, gegen die verstoßen wurde, vorher in der Arbeitsordnung und/oder im Arbeitsvertrag festgehalten waren. Deshalb ist bei der Ausarbeitung dieser arbeitsrechtlichen Unterlagen besondere Sorgfalt gefordert.

Förderung von Investitionen in Serbien

Serbien ist auf ausländische Investitionen angewiesen und die serbische Regierung hat diesbezüglich eine besondere Förderstelle «RAS» (https://ras.gov.rs/en/invest-in-serbia#) eingerichtet, bei welcher sich Investoren mit konkreten Projekten um Förderprogramme bewerben können. Bei den Förderprogrammen ist, je nach Region und abhängig von der Anzahl der neu eröffneten Arbeitsplätze und der Investitionshöhe, mit Fördergeldern von bis zu 15.000 EUR pro Arbeitsplatz zu rechnen. Bei dem jeweiligen Verfahren ist zu beachten, dass alle Schritte im Aufbau der Produktionsstätte (wie etwa Landkauf, Bauprojekte, Miete von Land und Objekten, Arbeiteraufnahme, Ausrüstung der Produktionsstätte, Übertragung von IP-Rechten) mit dem jeweiligen Verfahren des Förderprogrammes zeitlich und rechtlich abgestimmt werden müssen, um als förderfähig zu gelten. Besondere Förderprogramme bestehen für die begünstigte oder gar kostenlose Zuteilung von Land für den Ausbau von Produktionsstätten.

Energiekosten sind in Serbien ebenfalls subventioniert. Strom -und Gaskosten in Serbien sind derzeit verhältnismäßig günstig. Im Bereich der Industrieproduktion lagen die Stromkosten im dritten Quartal 2022 bei 95 EUR/ MWh und die Gaskosten bei 0,29 E/m3.

Firmengründung

Ausländische (natürliche oder juristische) Personen können alleinige Gesellschafter einer serbischen Gesellschaft sein. Das Gründungskapital ist im symbolischen Betrag von 1 EUR für eine GmbH einzuzahlen, die GmbH Gründung in Serbien kann mit überschaubaren Kosten in 5 Arbeitstagen durchgeführt werden. Geschäftsführer können ausländische Staatsbürger, selbst ohne Aufenthaltsgenehmigung in Serbien, sein. Wichtig ist dabei zu beachten, dass auch solche Geschäftsführer wenigstens einmal persönlich in Serbien erscheinen müssen, um ihre digitale Unterschrift aufnehmen zu lassen.

Steuern in Serbien

Serbien gehört zu den Ländern mit niedrigen Steuersätzen. Die Körperschaftsteuer ist einheitlich und beträgt 15 %, wobei die Bemessungsgrundlage der nach den International Financial Reporting Standards FRS– und dem serbischen Buchhaltungs- und Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn ist. Serbien hat jeweils mit Deutschland, Österreich und der Schweiz Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Für Investoren, die mehr als 100 Mitarbeiter einstellen und mehr als 1 Milliarde RSD (derzeit ca. 8,5 Millionen Euro) investieren, gilt eine 10-jährige Befreiung von der Körperschaftsteuer.

Positive Erfahrungsberichte

In Serbien werden ausländische Unternehmen, Investoren und Arbeitgeber – ganz besonders aus der DACH-Region – äußerst wohlwollend aufgenommen. Der Erfahrungsbericht deutscher Unternehmen bestätigt dies. In einer Befragung haben 78 % der befragten deutschen Unternehmen, die bereits in Serbien investiert haben, geantwortet, dass sie mit der gesamten Erfahrung in Serbien als Investoren zufrieden (56 %) oder sogar sehr zufrieden (22 %) sind.[iii]


[i] „Getting Stronger After Covid -19: Nearshoring Potential in the Western Balkans”, Research Report 453, Mai 2021, Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche: https://wiiw.ac.at/getting-stronger-after-covid-19-nearshoring-potential-in-the-western-balkans-dlp-5814.pdf  [ii] Siehe i  [iii] Siehe ii

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Ljubica Tomić

Rechtsanwältin | Managing Partner

TSG